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Wirtschaft
Wirtschaft wird in der deutschsprachigen Geschichtswissenschaft nur sehr selten als zentrale Kategorie angesehen. In der englischen und amerikanischen Geschichtswissenschaft sind solche Ansätze häufiger anzutreffen, wobei sie seltener rein theoretisch diskutiert, denn pragmatisch angewandt werden. Wirtschaft als Kategorie wird in der deutschsprachigen Forschung häufig im Zusammenhang mit Gesellschaft eingesetzt. So können einerseits die Differenzierung der Geschichte nach Wirtschaftsverfassungen angewandt werden, um Geschichte insgesamt zu strukturieren, andererseits erlaubt es das Argument der Transferierung ökonomischer Prinzipien auf andere Teilsysteme der Gesellschaft Wirtschaft in den Mittelpunkt der Geschichtsbetrachtung zurück. So ist das marxistische Geschichtsbild eines, dass die Wirtschaftsverfassung, genauer die Produktionsverhältnisse als zentrales Argument zur Generierung von Epochendifferenzen herausstellt. In der Historischen Sozialwissenschaft wird Wirtschaft als zentraler Begriff benannt, wobei dieser entlang der Adaption des Modells von Max Weber eine der drei Kategorien darstellt, in denen Gesellschaft aufgegliedert wird. Neben der Wirtschaft sind dies Herrschaft und Kultur. In der Praxis der Geschichtswissenschaft ist es auf Grund der Spezifik der Wirtschaftsgeschichte, was ihre Methoden und Grundbegriffe angeht, leider nur sehr selten der Fall, dass sich zwischen den empirischen Forschungen und der Theorie der Wirtschaftsgeschichte und andere Teildisziplinen der Geschichtswissenschaft und fundierte Interdiskurse entwickeln. Die Wirtschaftsgeschichte ist auch institutionell häufig getrennt von der allgemeinen Geschichtswissenschaft, indem viele der speziellen Lehrstühle in den wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten angesiedelt sind. Gerade die Wirtschaftsgeschichte ökonomischer Provenienz arbeitet mit Theorien und Methoden der Wirtschaftswissenschaften, die in der allgemeinen Geschichtswissenschaft noch nicht jene Aufmerksamkeit erhalten, die sie auf Grund ihrer argumentativen Stringenz wie empirischen Triftigkeit verdienen. Vom besonderer Bedeutung in den letzten Jahren ist es gewesen, dass mit der Institutionenökonomik die Wirtschaftswissenschaft selbst zum einen wiederum verstärkt historisch argumentiert, nachdem das liberalistische Ökonomiemodell Wirtschaftsgeschichte zum Nebenfach degradiert hatte. Zum anderen haben die damit in die Wirtschaftsbetrachtung integrierten informellen Faktoren wie Informationsbeschaffung oder gesellschaftliche Kommunikationsverhältnisse die Möglichkeit eröffnete, Wirtschaft nicht als isoliertes historisches Phänomen zu sehen, sondern Anschlüsse zu anderen historischen Teildisziplinen und Ansätzen zu generieren. Die Integration dieses Ansatz in die geschichtstheoretischen Diskurse steht zurzeit noch in den Anfängen.
Stefan Haas
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