Wissenschaftliche Theoriebildung

Die drei möglichen Antworten auf die Frage, wer spricht, wenn ein wissenschaftlicher Text verfasst wird – das Individuum als Erkenntnissubjekt, eine durch ein gemeinsames Erkenntnisinteresse definierte Gruppe oder die Scientific Community als Gemeinschaft aller Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, reichen allein nicht aus, um Wissenschaft zu beschreiben. Es bedarf anderer, formaler Beschreibungskriterien, um Wissenschaft zu sortieren.

Im Folgenden werden solche Ansätze behandelt, die die Frage beantworten können, was das Gemeinsame ist, wenn man die Erfahrung akzeptiert, dass man Aussagen dann vorhersehen kann, wenn man den Standpunkt des Aussagenden kennt. Zu fragen ist, was dann das Gemeinsame ist, an dem man Anteil haben muss, um den Fortgang einer Argumentation weiterzuentwickeln, ohne dass dies bereits von einem Autor oder einer Autorin ausformuliert worden ist. Die Frage lautet mithin, was ist das unthematisierte Vorausgesetzte, das es ermöglicht, eine argumentative Aussage über einen Gegenstand zu formulieren. In der bisherigen Forschung sind hierfür neben wissenschaftssoziologischen und wissenschaftspsychologischen Ansätzen, denen immer ein ideologiekritischer Impuls zu Eigen ist, vor allem vier Antworten formuliert worden. Ihnen allen ist gemeinsam, dass Sie dem jeweiligen argumentativen Sprechen über einen Gegenstand eine formale Struktur unterstellen, die sie mit einem neu eingeführten Begriff beschreiben. Es sind dies:

· Die Einteilung der Wissenschaften in Teil- und Subdisziplinen

· Das Modell des Paradigmenwechsels

· Die Theorie der disziplinären Matrix

· Diskurstheoretische Erklärungsmuster

· sowie die Kategorialanalyse.

Älter und in der Wissenschaftstheorie der letzten Jahrzehnte von geringem oder gar keinem Interesse sind die Denkstil- oder die Denkformenanalyse.

Stefan Haas