Gender als Kategorie

‚Geschlecht’ ist eine relativ junge Kategorie historischer bzw. allgemein kulturwissenschaftlicher Analyse. Sie umgreift diejenigen Eigenschaften, die männlichen und weiblichen Körpern in historischen und gegenwärtigen Kulturen zugeschrieben werden. Der Terminus Geschlecht, der im Deutschen geläufig das biologische Geschlecht bezeichnet, meint hier das soziale Geschlecht.

Eindeutiger als der deutsche Begriff ‚Geschlecht’ ist der englische Begriff ‚Gender’, der im Deutschen mit Geschlecht übersetzt, immer häufiger aber als englisches Lehnswort ins Deutsche übernommen wird, um dessen Mehrdeutigkeit zu umgehen. Gender ist ursprünglich eine grammatische Kategorie. 1968 schlug der Psychologe Robert Stoller vor, den Begriff diesem Bereich zu entlehnen, um mit seiner Hilfe eine analytische Unterscheidung zwischen den in einer bestimmten Kultur als ‚männlich’ bzw. ‚weiblich’ begriffenen Eigenschaften einerseits und dem biologischen Geschlecht (engl. ‚sex’) andererseits, das in diesem Konzept als eine Art Projektionsfläche dieser Zuschreibungen begriffen wird, zu treffen. In Analogie zum grammatikalischen Gebrauch wird Gender also als eine auf sozialer Übereinkunft beruhende Möglichkeit der Klassifizierung von Phänomenen aufgefasst, nicht aber als Verweis auf objektive Eigenschaften. Entsprechend erfolgte eine absolute, jeglichen kausalen Zusammenhang negierende Trennung zwischen den sozialen Zuschreibungen und den biologischen Körpern.

Diese strategische, gegen biologische Determinismen gerichtete Ausblendung von sex, die mit dem Gebrauch der Kategorie Geschlecht einherging, ist in jüngster Zeit mit dem Hinweis darauf infrage gestellt worden, dass auch die Bestimmung des biologischen Körpers diskursiv erfolge, dass dieser also, ebenso wie Gender, nicht vor der Konstruktion existiere. Vielmehr käme gerade seinen Deutungen die Funktion zu, die kulturelle Geschlechterdifferenz zu naturalisieren und somit zu stabilisieren.

Seit den 1980er Jahren institutionalisierten sich die Forschungen zur Geschlechtlichkeit zunehmend in den sogenannten Gender Studies. In ihnen traten neben die Kategorie Gender Klasse und Ethnie als primäre Analysekategorien, die ebenso wie Gender primär als Begriffe zur Kennzeichnung von Machtverhältnissen aufgefasst wurden. Damit soll der Erkenntnis entsprochen werden, dass in den von ihnen untersuchten kulturellen Signifikationsprozessen die Zuschreibungen von als ‚männlich’ bzw. ‚weiblich’ aufgefassten Funktionen mit solchen in Interaktion traten, welche als Eigenschaften bestimmter Klassen oder Ethnien begriffen werden.

Kerstin Ciba