|
Postmoderne als Epochenbegriff
Postmoderne bezeichnet eine bestimmte Epoche des Denkens, die sich auf spezifische Weise mit der Moderne bzw. der Modernisierung auseinandersetzt. Dabei ist strittig, ob wir uns in einer Zeit nach der Moderne befinden, oder ob wir in den letzten drei Jahrzehnten in die Phase einer geläuterten Moderne eingetreten sind. Beide Positionen werden vertreten. Die letztere häufig auch unter der Bezeichnung einer „reflexiven Moderne“ oder einer „zweiten Moderne“. Da die Moderne nicht nur eine Epoche, sondern auch bestimmte Werte bezeichnet, sind besonders jene, die sich diesen Werten verpflichtet fühlen, gleichzeitig aber den Unterschied zwischen dem 19. und dem späten 20. Jahrhundert wahrnehmen, geneigt, am „Projekt der Moderne“, wie es Habermas nennt, festzuhalten und es von Verunreinigungen und immanenten Fehlern zu befreien.
Moderne ist ein mehrdeutiger Begriff. Er bezeichnet in sozioökonomischer Hinsicht die Epoche der Industrialisierung, die mit der Entwicklung der Marktwirtschaft, der Demokratie und der Emanzipation verbunden ist. Er beginnt mit der amerikanischen bzw. französischen Revolution, tritt Mitte des 19. Jahrhunderts in seine Hochphase ein und ist nach dem Ersten Weltkrieg weitgehend in der westlichen Welt etabliert. Seither wird diese sozioökonomische Moderne auf der Welt ausgebreitet, was in den letzten Jahren als Globalisierung diskutiert wird. In einer mehr auf die Kunst und Literatur schauenden Betrachtungsweise wird die Moderne mit der Jahrhundertwende um 1900 angesetzt, als mit den Fauvisten, Kubisten und Expressionisten die moderne Kunst entstand und Marcel Proust einen der ersten modernen Romane verfasste.
Verbunden mit der Moderne sind Theorien, wie es zu dieser Entwicklung hat kommen können und wohin diese führt. Diese werden als Modernisierungstheorien bezeichnet. Gegen diese wendet sich explizit der postmoderne Diskurs. Er glaubt nicht mehr an die Mechanismen dieser Modernisierung, in der über den technischen Fortschritt ein Mehr an Demokratie und alle soziale Gruppen betreffende Lebensqualität, und damit eine Reduktion sozialer Konflikte, erreicht werden soll. Eine einschneidende Erfahrung war die Ölkrise des Jahres 1973, aber auch die mit der Industrialisierung einhergehende Umweltverschmutzung bei gleichzeitiger Verlagerung von Konflikten aus den industrialisierten Ländern in die dritte und vierte Welt. Auch die vielfältigen Migrationsprozesse haben traditionelle Zuordnungen von Identität aufgeweicht.
Die sozioökonomische Modernisierung war auch mit dem Gedanken der Rationalisierung verbunden, mithin einer Zunahme von vernunftmäßiger Einrichtung der sozialen und kulturellen Lebenswelt. Der einzelne Mensch sollte als Subjekt zunehmend über sein eigenes Leben bestimmen und sich von Bindungen der Tradition, der sozialen Klasse bzw. Schicht und der Herkunft befreien können. Die bestehenden sozialen Unterschiede, besonders die Rassenprobleme in den USA, wurden aber wahrgenommen als Belege dafür, dass eine zunehmende Rationalisierung und Industrialisierung nicht zu einer endgültigen Aufhebung sozialer Ungleichheiten führt. Viele der zentralen Vertreter der frühen Debatten um die Postmoderne in den 1980er Jahren waren Vertreter des kritischen Aufbruchs der 1960er Jahre, die sich enttäuscht über die Änderungen, die sie bewirkt hatten, von den alten Idealen abwandten oder diese modifizierten.
Stefan Haas
|
|
|