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Geschlecht als Kategorie der historischen Analyse
Vertreter der Gender Studies fordern, dass grundsätzlich jede (historische) Untersuchung Geschlecht zu berücksichtigen habe. Dieser Anspruch leitet sich vom Status des sozialen Geschlechts als analytischer Kategorie her.
Geschlecht als analytische Kategorie ist scharf von dem beschreibenden Gebrauch von gender zu trennen, wie er die Women's Studies prägt. In deren Rahmen wurde Geschlecht ausschließlich auf solche Gegenstände bezogen, die einen Bezug zu historisch existenten Frauen hatten. Die Women's Studies brachten zwar neue Untersuchungsfelder hervor, deren Bestimmung aber folgte genau den kulturellen Trennlinien und Dichotomien, die die Geschlechterdifferenz stabilisieren: Bei Themen wie Sexualität, Reproduktion und Familie blieb Geschlecht weiterhin ein Thema, das scheinbar nur die Frauen, nicht aber die Männer betraf.
Dem steht der Anspruch von Geschlecht als analytischer Kategorie entgegen: Als solche unterstreicht sie zunächst einmal den reziproken Aspekt der normativen Definitionen von ‚Weiblichkeit’, welche immer nur in Bezug auf ihr Pendant, die ‚Männlichkeit’, erfolgen: Die Zuordnung der Frauen in die häusliche Privatsphäre etwa ist nicht zu verstehen ohne die gleichzeitige konfliktträchtige Herausbildung des als ‚männliche’ Sphäre definierten öffentlichen Raumes.
Die Dichotomie weiblich/männlich ist, wie in dem genannten Beispiel, in Prozessen kultureller Bedeutungsstiftung produktiv und somit auch konstitutiv für Konzepte wie das der Öffentlichkeit, des Staatsbürgers oder der Emanzipation. In diesen Erkenntnissen liegt das kritische Potential der Gender Studies für die wissenschaftliche Praxis: Sie legen eine kritische Hinterfragung gängiger Begriffe und Konzepte, aber auch von Zielen der Wissenschaft nahe, indem sie beispielsweise zeigen, dass das aufklärerische Emanzipationsmodell, das etwa der Historischen Sozialwissenschaft zugrunde liegt, seinem universalistischen Anspruch zum Trotz auf der systematischen Ausgrenzung von Frauen basiert.
Kerstin Ciba
Literatur:
Butler, Judith, Das Unbehagen der Geschlechter, Frankfurt am Main 1991.
Hey, Barbara, Die Entwicklung des gender-Konzepts vor dem Hintergrund poststrukturalistischen Denkens, in: L'Homme. Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 5, 1994, 7-27.
Hof, Renate, Die Entwicklung der Gender-Studies, in: Hadumod Bußmann/Renate Hof (Hg.), Genus - zur Geschlechterdifferenz in den Kulturwissenschaften, Stuttgart 1995, 3-33.
Scott, Joan W., Gender. Eine nützliche Kategorie der historischen Analyse, in: Texte zur Literaturtheorie der Gegenwart, hg. und komment. von Dorothee Kimmich, Rolf Günter Renner und Bernd Stiegler, Stuttgart 1996, 416-440.
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