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Medientypologien/Mediendifferenzierungen
Eine synthetisierende Typologie von Medienbegriffen hat der Zeichentheoretiker Roland Posner 1986 vorgelegt. Zwar hat sich die Forschung mittlerweile weiterentwickelt, doch gibt sein Überblick zum einen sehr gut die Forschung der Zeit wieder und zeigt zum anderen, wie vielfältig die Medienbegriff bereits ausdifferenziert war, bevor es in den Historischen Wissenschaften zum Communicative bzw. Medial Turn kam. Gleichzeitig kann seine Einteilung auch heute noch der Ausgangspunkt für eine zusammenfassende Typologisierung der Medienbegriffe sein. Da Posner der Semiotik verpflichtet war, folgen seine Begriffsdefinitionen der Art und Weise, wie Zeichenprozesse gestaltet werden.
1. Biologischer Medienbegriff: Medien werden in diesem Begriffshorizont differenziert nach den Körperorganen, die an Zeichenprozessen beteiligt sind. Die Klassifizierung folgt einer Einteilung dieser nach Wahrnehmungsprozessen: visuelle Medien erlauben eine Rezeption der Zeichen über die Augen, auditive über die Ohren, olfaktorische über die Nase, gustatorische über die Geschmacksnerven der Mundhöhle und taktile über die Haut. In Alltagsituationen sind meist Mischungen der Tätigkeit der Rezeptionsorgane zu beobachten.
2. Physikalischer Medienbegriff: Die zur Verbindung von Empfänger und Sender notwendigen physikalische Prozesse lassen ebenfalls eine Unterteilung von Medien zu. Visuelle Zeichenprozesse beispielsweise benötigen elektromagnetische Felder, die optische Wellen transportieren können. Medien, die diese Prozesse verwenden, werden als optische Medien bezeichnet. Neben diesen kann man von akustischen Medien dann sprechen, wenn zwischen Sender und Empfänger eine körperliche Verbindung besteht, die akustische Signale übermitteln kann. Gustatorische Zeichenprozesse beispielsweise basieren auf flüssigen und festen chemischen Substanzen. Ähnliches gilt für die anderen unter (1) benannten Medien.
3. Technologischer Medienbegriff: Medien lassen sich differenzieren entlang der technischen Mittel, die zur Veränderung der Kontaktmaterie eingesetzt werden. Diese Kontaktmaterie stellt einer physische Verbindung zwischen Produktionsorgan des Senders und Rezeptionsorgan des Empfängers her. Auch hier lässt sich wieder nach den Sinnesorganen differenzieren, die eingesetzt werden. Technische Medien in visuellen Zeichenprozessen können Ferngläser, Fotokameras, Filmprojektoren u.ä. sein. Die Einteilung in Bildschirm- und Printmedien beispielsweise basiert auf einem solchen technologischen Medienbegriff. CD-Player, Tonbänder oder Schallplatten sind technologische Medien in auditiven Zeichenprozessen.
4. Soziologischer Medienbegriff: Medien werden hier definiert und systematisiert entlang der sozialen Gruppen und Institutionen, die Medien einsetzen, verwenden oder organisieren. Auch hier folgt eine weitere Unterteilung bei Posner nach den Zeichenprozessen. Museen und Galerien sind in dieser Auffassung soziale Medien, die auf visuellen Zeichenprozessen basieren. Konzerte lassen sich auditiven Zeichenprozessen zuordnen.
5. Kulturbezogener Medienbegriff: In den 1980er Jahren wurde der Kulturbegriff nicht derart differenziert und umfassend eingesetzt, wie dies seit den frühen 90er Jahren praktiziert wird. Posners Differenzierung des kulturalistischen Medienbegriffs bleibt daher blass, obwohl viele der kulturorientierten Medienbegriffe, die heute eine bedeutende Rolle spielen, sich auf Werke beziehen, die wie jene von Luhmann oder Baudrillard bereits in den 1970er Jahren erschienen sind. Nach Posner wird ein kulturbezogener Medienbegriff definiert entlang des Zwecks der Botschaft, die durch sie übermittelt wird. In dieser Form differenzieren Literatur-, Kunst und Musikwissenschaft beispielsweise ihre Gattungen wie Roman und Gedicht, Gemälde und Skulptur oder Oper und Konzert. Diese Gleichsetzung von Kultur und Zweck ist heute wenig weiterführend, ist aber auch durch neuere kulturalistische Medienbegriffe überholt.
6. Codebezogener Medienbegriff: Codes bezeichnen die Regeln, nach denen Botschaften zu Zeichen zugeordnet werden. Beispielweise lassen sich sprachliche, bildliche, musikalische oder architektonische Codes unterscheiden.
Stefan Haas
Literatur:
POSNER 1986
Roland Posner: Kultur als Zeichensystem. Zur semiotischen Explikation kulturwissenschaftlicher Grundbegriffe, in: Aleida Assmann/Dietrich Harth (Hg.), Kultur als Lebenswelt und Monument, Frankfurt/M. 1991, S. 37-74.
Evelyn Dölling: Repräsentation und Interpretation in der multimedialen Kommunikation, in: Evelyn Dölling (Hg.), Repräsentation und Interpretation, Institut für Linguistik: Berlin, S. 149-170.
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