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Das Zielpublikum
Entscheidend für die Konstitution eines Forschungsvorhabens, noch stärker aber für die konkrete Abfassung eines die Erkenntnisse des Vorhabens vermittelnden, medialisierenden Textes ist die Reflexion des Publikums, an das sich der Text richtet.
Zwei Fragen sind dabei von besonderer Bedeutung:
§ wie nahe steht es meinem eigenen Standort und
§ handelt es sich um ein ambivalentes Publikum.
Von deutlich geringerer Bedeutung ist dagegen die Frage, ob es sich um ein Fach- oder ein Laienpublikum handelt. Meist meint man, man könne einem Laienpublikum weder allzu abstrakte Argumentationswege vermitteln noch seine Ergebnisse in trennscharfen Begrifflichkeiten formulieren. Solch eine Überheblichkeit schlägt meist zurück. Albert Einstein hat als Regel formuliert: „Alles sollte so einfach wie möglich gemacht werden, aber nicht einfacher.“ Das bedeutet, dass sich Eindeutigkeit häufig mittels eines alltagssprachlichen Begriffs herstellen lässt. Manchmal muss aber auch ein Begriff erfunden werden, um einen trennscharfe Bestimmung des gemeinten Sachverhalts zu formulieren. Letztlich ist man immer aufgefordert, mit eindeutigen Begrifflichkeiten zu verfahren, deren Verwendung jeweils nachvollziehbar definiert werden muss, denn angesichts der Pluralität aktueller Forschungsstrategien lässt sich nicht mehr wie noch vor Jahrzehnten eine gemeinsame wissenschaftliche Sprache herausschälen, auf die jeweils zurückgegriffen werden könnte. Die Frage ist jeweils, welchen Abstraktionsgrad braucht mein Vorhaben und welche Begrifflichkeiten lassen es zu, dieses eindeutig zu formulieren. Dass beide transparent und nachvollziehbar vermittelt werden müssen, ist keine Frage des Bildungsgrades des Publikums, sondern der jeweils individuellen Fähigkeit, den eigenen Ansatz darzulegen.
Bei relativ eng umgrenzten Fachtagungen, die beispielsweise den Titel führen „Die Amerikapolitik Adenauers“ ist es sehr wahrscheinlich, dass die Teilnehmer und Teilnehmerinnen über ein fundiertes Vorwissen zum Gegenstand der Tagung verfügen. Allerdings bleibt hierbei zu berücksichtigen, ob es sich um eine Tagung handelt, die speziell für Forscherinnen und Forscher angesetzt wurde, oder ob auch ein breites Publikum angesprochen werden soll. Gerade zu politischen Themen wie dem genannten werden von parteipolitischen Stiftungen häufig Tagungen durchgeführt, die das Wissen über den Gegenstand einem breiten Publikum vermitteln sollen. In diesem Fall müsste der eigene Beitrag wiederum weniger im Forschungsstand selbst verortet werden, denn im allgemeinen Interesse, das das Publikum vermutlich mitbringt. Ist jedoch anzunehmen, dass das Publikum sich fachlich als relativ homogen darstellt, sollten Argumente, deren Bekanntheit vorausgesetzt werden kann, nur relativ kurz genannt werden, um den Eindruck der retardierenden Wiederholung und Langeweile, was sich wissenschaftlicher gesprochen meist im Vorwurf der Irrelevanz niederschlägt, zu vermeiden.
Schwieriger dagegen ist es, einem ambivalenten Publikum gerecht zu werden. Hier sollte die Fähigkeit entwickelt werden, einen gemeinsamen Nenner zu finden, von dem man das Publikum anfangs überzeugen kann und der den Ausgangspunkt darstellt, um die weitere Argumentation schlüssig zu entwickeln. Hierzu gehört sowohl die Fähigkeit zur Empathie, um das eigene Thema auch mit anderen Augen zu sehen, und das sehr genaue Achten auf die konsistente Logik der eigenen Argumentation. Auf der anderen Seite sind jedoch auch gerade solche Vorträge erfolgreich, bei denen der/die Vortragende mit großem Engagement den eigenen Ausgangspunkt und das eigene Erkenntnisinteresse vertritt. In solchen Fällen wirkt die eigene Überzeugung ansteckend auf das Publikum allerdings ist es schwierig ein Argument anzugeben, das sympathische Formen dieser Präsentation von arroganten im vornherein zu unterscheiden vermag.
Das Publikum spielt insofern immer eine Rolle bei der Konstitution des eigenen Forschungsvorhabens, als es die Zielperson ist, für die jeweils geschrieben wird. Allerdings ist seine Rolle weniger deutlich bei der Erarbeitung der Ergebnisse als bei ihrer Medialisierung zu spüren. Tatsächliche Einflussnahmen eines Publikums auf die inhaltliche Ausfüllung der Forschung sind zwar auch heute noch üblich, kommen aber bei weitem nicht mehr so oft vor, wie in vergangenen Epochen der Wissenschaftsentwicklung. Im Ausbildungsalltag dürften sie nur eine untergeordnete Bedeutung spielen. Entscheidend ist dagegen, die jeweils eigene Argumentationsführung auch im Hinblick auf das Zielpublikum in einem virtuellen Dialog zu entwickeln, der zugleich zu einer höheren Vernetz- und Vermittelbarkeit der eigenen Tätigkeit führt.
Stefan Haas
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