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Neuer Interpretationstypus wird entwickelt
Wenn der Sinn der eigenen Arbeit über die Entwicklung eines neuen Interpretationstypus erklärt wird, steht der Forschungsstand im Mittelpunkt ähnlich wie bei jener Strategie, die die Erweiterung des Fakten- oder Strukturwissens in den Mittelpunkt rückt. Im Zentrum steht nun aber nicht das Wissen über im Fall der Geschichtswissenschaft einen Ausschnitt der Vergangenheit oder im Fall der Literaturwissenschaft ein bestimmtes Werk oder einen Autor oder eine Autorin. Den Fokus bildet vielmehr die Interpretation, mithin das ‚wie’ das Wissen ausgesagt wird und weniger das ‚was’. Der Schwerpunkt liegt also weniger im historischen Gegenstand, als im Umgang mit ihm. Das setzt voraus, dass man im Umgang überhaupt ein konstitutives Element des Erkennens sieht. Man wird also keine historistischen Arbeiten finden, die sich selbst über diese Argumentationsschiene begründen. Andererseits werden konstruktiv fundierte Forschungen dazu neigen, diese Legitimationsführung zu verwenden. Aber immer noch geht es um ein bestimmtes historisches Phänomen (der Begriff Phänomen meint im Vergleich etwa zu Gegenstand die Art und Weise, wie etwas mir erscheint, denkt also den Betrachter, das Erkenntnissubjekt gleich mit).
Ein Beispiel wäre eine Arbeit über eine bestimmte Stadt wie Münster im Industrialisierungsprozess, wobei der Sinn dieser Arbeit nicht primär in der Produktion von Wissen über diese Stadt gesehen wird, sondern in der Entwicklung eines Interpretationstypus zu der Frage, wie Städte sich im Industrialisierungsprozess verändern. Es wird also vorausgesetzt, dass das, was zentral in der Arbeit gesagt wird, übertragbar sein könnte auf andere Städte auch wenn der konkrete empirische Nachweis nicht geleistet werden kann, beispielsweise aus Zeit- oder Kostengründen. Die Übertragbarkeit von Aussagen über in diesem Beispiel Münster, muss aber argumentativ begründet werden, und setzt voraus, dass man diese Stadt nicht als einzelnes Phänomen, sondern als einen bestimmten Typus von Stadt mit einer spezifischen, auch für andere Städte charakteristischen Struktur auffasst. Nur wenn dies geschieht, kann überhaupt eine Übertragbarkeit der Ergebnisse angenommen werden und die für Münster entwickelte Interpretation über das Verhalten von Städten im Industrialisierungsprozess kann als Typus für die Interpretation von Städten unter den Bedingungen dieses konkreten historischen Prozesses aufgefasst werden.
Argumentativ ähnlich verfahren solche Sinnzuschreibungsstrategien, die die Bedeutung einer individuellen Forschung in der Generierung neuer Methoden oder neuer Theorien sehen.
Stefan Haas
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