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Formale Geschichtstheorie
Geschichte ist ein doppeldeutiger Begriff. Er bezeichnet einerseits das, was in der Vergangenheit geschah, andererseits die jeweils gegenwärtige Beschäftigung mit dieser Vergangenheit. Und drittens bezeichnet Geschichte eine bestimmte Form des Erzählens, was dazu geführt hat, in den Theoriediskursen häufig die Frage nach dem Verhältnis von Geschichtswissenschaft und Geschichten erzählen zu stellen. Nicht zuletzt dem ersten Sachverhalt ist es zuzuschreiben, dass es auch zwei Arten der Geschichtstheorie gibt: eine, die sich mit der Geschichte als Vergangenheit beschäftigt. Diese fragt nach allgemeinen abstrakten Prinzipien, die die Entwicklung der Vergangenheit bestimmt haben. Sie bemüht sich um Antworten über den Inhalt der Geschichte und kann daher als materiale Geschichtstheorie bezeichnet werden. Die Frage beispielsweise, ob die gesamte Geschichte als beständiger Fortschritt charakterisiert werden kann, gehört zu dieser Disziplin.
Die andere Form der Geschichtstheorie beschäftigt sich mit der Frage, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, um Erkenntnis von Geschichte als Vergangenheit überhaupt zu gewährleisten. Sie fragt also nach den Bedingungen des Erkenntnisprozesses, klärt mithin die Prinzipien des alltäglichen wissenschaftlichen Arbeitens. Sie handelt von der Form des Erkennens und wird daher hier als formale Geschichtstheorie bezeichnet. Zu ihr gehört die Frage, welche Faktoren im Erkenntnisprozess relevant und wie diese verfasst sind. Die formale Geschichtstheorie klärt also Fragen wie: Wer oder was ist das Erkenntnissubjekt? Mit welchen Werkzeugen, d.h. Methoden kann Erkenntnis gewährleistet werden? Welche theoretischen Grundlagen liegen der Geschichtswissenschaft zu Grunde? Welche Relevanz hat eine wissenschaftliche oder eine anders geartete Geschichtsbetrachtung für die Gesellschaft? Welchen Sinn macht Wissenschaft im Allgemeinen und Geschichtswissenschaft im Besonderen?
Stefan Haas
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